
Orientierungshilfe Werkstoffauswahl
Die Gebrauchs- und Verarbeitungseigenschaften der nichtrostenden Stähle werden sowohl direkt über die zugeführten Legierungselemente als auch durch den sich aus der jeweiligen Legierungszusammensetzung einstellenden Gefügeaufbau bestimmt.
Die Substitution einer Werkstoffsorte sollte immer anwendungsbezogen erfolgen und genauestens abgewogen werden. Eine selektive Betrachtung einzelner Eigenschaften einer als Ersatz angedachten Sorte könnte zu weitreichenden Problemen, Qualitätsverlusten und hohen Kosten führen.
Die individuellen Eigenschaften der Stahlsorten werden vielfach in „Stärken“ und „Schwächen“ eingeteilt. Diese Bewertung sollte aber immer nur mit Blick auf den Einsatzbereich vorgenommen werden und keinesfalls einer allgemeinen Beurteilung zu Grunde liegen. Die Ausprägung einer Eigenschaft kann in einem Anwendungsfall als besonders hilfreich gelten, während sie in einem anderen Fall den Einsatz der Sorte unmöglich macht. Beispielsweise ist für viele Anwendungen eine hohe Festigkeit wichtig, wohingegen das meistens damit einhergehende geringere Umformvermögen weniger von Bedeutung ist. Für andere Anwendungen wiederum kann die hohe Festigkeit eher von Nachteil sein, wenn großes Umformvermögen benötigt wird (hohe Umformkräfte, geringes Ziehvermögen).
Welche „Schwächen“ bringt ein Werkstoff für den Anwendungsfall mit, der wegen seiner, für den Anwendungsfall zwingend notwendigen „Stärken“ zur Auswahl steht? Inwieweit sind die verschiedenen Eigenschaften der Sorte für die jeweilige Anwendung von Bedeutung? Diese Fragen sollte man sich bei der Entscheidungsfindung stellen.
Die Bewertung folgender sechs Werkstoffeigenschaften erfolgt auf Basis der hinterlegten Informationen:
Die nachfolgenden Diagramme sollen eine Hilfestellung bei der Auswahl von Werkstoffen geben, wobei die Gruppe der Martensite nicht betrachtet wird.
Aufgrund der Volatilität der Preise von Legierungselementen kann hier nicht weiter auf Kosten eingegangen werden.
In den „Spinnennetzdiagrammen“ sind die o. g. Werkstoffeigenschaften für die gebräuchlichsten nichtrostenden Stähle mit einem einfachen Notensystem aufgeführt. Die Noten von eins bis fünf zeigen an, ob die jeweilige Eigenschaft im Vergleich der aufgeführten Stahlsorten eher hoch oder gering ausgeprägt ist. Eine Wertung der Eigenschaft sollen und können sie aber nicht darstellen, wie bereits weiter oben im Text mit dem Hinweis auf vermeintliche „Stärken“ und „Schwächen“ erläutert wurde.
Spinnennetzdiagramme
In den Diagrammen wird die Kerbschlagarbeit nicht aufgeführt. Da die austenitischen nichtrostenden Stähle auch bei sehr tiefen Temperaturen nicht sprödbruchgefährdet sind, können sie z.B. im Bauwesen bis – 40 °C ohne weiteren Nachweis eingesetzt werden. Ferritische nichtrostende Stähle tendieren dagegen schon bei deutlich höheren Temperaturen zur Versprödung. Im Baubereich muss daher für diese Gruppe mindestens eine Kerbschlagarbeit von 40 J mit ISO-V-Proben bei – 40 °C nachgewiesen werden. Der Nachweis muss gemäß den Angaben in der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung Z-30.3-6 (ISER Sonderdruck 862) geführt werden. Die austenitisch-ferritischen nichtrostenden Stähle liegen aufgrund ihrer Gefügestruktur mit ihrer Kerbschlagzähigkeit und der Lage der Übergangstemperatur zwischen den beiden vorgenannten Gruppen. Ein Nachweis, wie bei den Ferriten, ist im Baubereich ebenfalls zu erbringen.